Vor ein paar Jahren war ich mal ausnahmsweise als Gast und nicht als Fotografin auf einer Hochzeit. Das passiert leider – oder glücklichereweise – nicht so oft. Jedenfalls durfte ich den Zauber eines solchen Tages ganz entspannt genießen, trinken was ich wollte, sitzen wann ich wollte, die Toilette aufsuchen wann ich musste und bei romantischen Liedern in eigenen Erinnerungen schwelgen, anstatt mich taff aufs Hier und Jetzt zu konzentrieren. Es war eine richtig schicke Hochzeit in Kitzbühel, mit allem was dazu gehört, aber nicht etwa abgehoben oder so, nein. Die gesamte Atmosphäre war sehr entspannt, zumindest bis zu einem einprägsamen Erlebnis.

Nach der kirchlichen Trauung folgte ein kurzer Fußmarsch zu einem nahegelegenen, idyllischen Plätzchen, wo die Agape stattfand. Es gab eine großzügige Wiese und eine Art bewirtschafteter Stadl mit ausreichend Sitzmöglichkeiten. Allerdings war es ein heißer Tag, die Sonne brannte erbarmungslos herab und es gab keine Wolke weit und breit. Natürlich kam ich nicht ganz aus, meine Kollegin, die Fotografin dieser Hochzeit, immer mal wieder bei ihrer Arbeit zu beobachten. Irgendwann ging sie dann durch die Menge und kündigte jedem freudlich an, dass in 10 Minuten das Gruppenfoto gemacht wird und man sich bitte bereithalten möge – so wie es ein professioneller Fotograf eben macht. Soweit so gut.

Wie es bei Gruppenfotos nun mal so ist – ich nenne es das „Gruppenfoto-Phänomen“ – gibt es nahezu auf jeder größeren Hochzeit eine Hand voll Gäste, die genau zu diesem Zeitpunkt noch mal schnell die Toilette aufsuchen, noch eine rauchen, oder sich bewusst vom Gruppenfoto abwenden möchte, nach dem Motto „ich muss da nicht oben sein“.

Das Problem an der Sache ist nur, dass 2/3 der Gäste folgsam den ausgewählten Ort des Geschehens zur vereinbarten Zeit aufsuchen und geduldig warten, während man eben das restliche Drittel nochmals um ihre Anwesenheit bitten muss. Und insbesondere an einem heißen Tag wie diesem, können bereits wenige Minuten darüber entscheiden, ob die Stimmung bleibt oder kippt. Irgendwie auch verständlich, schließlich war es doch gerade so gemütlich im Schatten, bei einem kalten Bier und netter Gesellschaft.

Das Ziel des Fotografen ist es natürlich nicht, die Gäste damit zu verärgern, sondern er möchte – für das Brautpaar – ein Bild erschaffen, auf dem zum Teil über 100 Personen nicht nur erahnt werden können, sondern gut erkennbar und im Idealfall vorteilhaft abbelichtet werden. Zudem soll nicht nur jede Person für sich alleine glänzen, sondern das große Ganze harmonisch wirken. Dieses Gesamtkunstwerk sollte dann noch am besten von einer tollen Kulisse umrahmt werden. Dazu muss die Gruppe in Position gebracht werden, und das möglichst schnell.

An dieser Stelle: Schonmal versucht, 3 Kinder gleichzeitig zu fotografieren?

Um dieses ambitionierte Vorhaben erfolgreich umzusetzen, zermartert sich der Fotograf im Regelfall schon lange vorher seinen Kopf, wo nun die beste Stelle dafür sein könnte, wo z.B. eine Erhöhung ist, um die Personen auf verschiedene Ebenen zu bringen (denn 100 Personen nebeneinander oder hintereinander, funktioniert nur in der Theorie). Zudem sollten die Gäste nicht von der Sonne geblendet werden, Gegenlicht ist auch nicht ideal, Halbschatten ebenfalls so lala. Schatten? Schatten! Das oder ein leicht bedeckter Himmel wären ideal, nun ist Schatten nun mal nicht immer genau dort, wo alle anderen Gegebenheiten günstig sind, z.B. eine Stiege, ein schöner Hintergrund, nicht zu weit weg vom Geschehen. Und wenn es eben mal ganz blöd läuft und es keinen besseren Ort gibt, dann müssen die Gäste zum Gruppenfoto in der prallen Sonne kurz ausharren, wie es auch bei dieser Hochzeit der Fall war.

Die Fotografin war also dabei die Gäste zu motivieren und positionieren. Nach einigen Minuten – bei sovielen Gästen kann das etwas dauern – war es dann soweit. Die motivierte junge Frau kletterte wagemutig auf ein altes Dach und.. just in dem Moment als sie abdrücken wollte, brach eine Dame zusammen, Kreislaufschwäche.

Der Dame wurde natürlich umgehend zur Hilfe geeilt, Wasser gereicht und anschließend im Stadl versorgt. Nachdem sich die Situation beruhigt hatte (zwischenzeitlich konnten alle Gäste etwas trinken, die Toilette aufsuchen oder eine rauchen), gab es einen zweiten Anlauf. Das ganze Prozedere also nochmal. Die Fotografin trat vor die Menge und bat gerade noch die letzten Personen wieder in Position, als da plötzlich jemand laut aus der Menge schrie: „Jetzt drück endlich ab!“.

Was ich mir in diesem Moment dachte, schreibe ich jetzt mal lieber nicht hierher. Ja schon klar, man muss solche Kommentare einfach überhören, drüber stehen, sich eine dicke Haut zulegen und sein Pokerface aufsetzen. Aber Fakt ist, auch wir Fotografen sind Menschen, die nur versuchen ihren Job gut zu erledigen.

Ich denke ich spreche für die meisten Hochzeitsfotografen wenn ich sage, dass wir unsere Arbeit mit Leidenschaft ausüben. Ohne Leidenschaft kann man Passfotos machen, aber keine emotionalen Hochzeitsmomente einfangen. Wir haben das Glück, an diesem einzigartigen Tag mit dabei sein zu dürfen und mit unseren Bildern diese besonderen Erinnerungen für immer festzuhalten. Sehr oft erlebe ich, dass ich anfangs nur „die Fotografin“ bin und mich die Hochzeitsgesellschaft am Ende des Tages wie eine Freundin der Familie herzhaft verabschiedet. Das ist wunderbar und gleicht kleine Hürden wie unüberlegte Zwischenrufe schnell aus.